Zur Uraufführung von "On the Island II" (2023) - Fragen an den Komponisten

von Linda Knauer

L.K.: „On the Island II“ ist die Fortsetzung Ihres 2022 komponierten Werks „On the Island“. Worauf kann sich das Publikum bei der Fortsetzung freuen?

T.E.: ”On the Island“ ist Ecopoetry, die pazifische und skandinavische Bilder des Insellebens zusammenbringt. Die Gedichte des dänischen Linguisten Carsten Levisen erzählen kaleidoskopartig unterbrochene Geschichten von Inselträumen und -visionen, von Schönheit und Schrecken, von Eisbergen, Vulkanen, Schlamm und Sand und von menschlicher Hybris in der Welt der Elemente. Die neuen Texte sind dunkler und noch kondensierter als der Vorgängerzyklus. Das Pazifische begegnet uns weniger explizit. Aber es ist ständig auf verborgene Weise vorhanden: ”Soft Mud“ z.B., (der Titel des 1. Gedichts), ist gleichlautend mit dem Bislama – Wort „safmad“. Es steht für den sinkenden, schlammigen Boden während der Regenzeit auf Vanuatu.

L.K.: Wie ist das Ensemble besetzt? In welchem Bezug stehen Stimme und Ensemble?

T.E.: Während der 1. Zyklus für ein Ensemble aus 3 Schlagzeugern und 4 Performern komponiert wurde, die mit allen möglichen ungewöhnlichen Instrumenten und Materialien Klänge erzeugen, ist ”On the island II“ klassischer besetzt. Drei Holzblasinstrumente, Klavier, Schlagzeug und fünf Streicher geben den klanglichen Rahmen für die Stimme. Aber auch hier wird die Sopranistin nicht nur singen - sie wird auch sprechen, spielen und zusammen mit den Instrumentalisten nach Ausdruck und Sprache für ihre Gefühle suchen.

L.K.: Wie ist die Zusammenarbeit mit Carsten Levisen zustande gekommen? Worum geht es in seinem Text „On the Island II“ und wie haben Sie diesen musikalisch umgesetzt?

T.E.: Carsten Levisen ist ein dänischer Linguist, dessen Arbeit sich auf die skandinavische und pazifische Semantik sowie auf die Schnittstelle zwischen Sprache, Kultur und Weltanschauung konzentriert. Er untersucht sprachliche Vielfalt, Sprache und Kolonialität sowie die Dynamik von Wörtern und Bedeutungen in globalen und lokalen Kontexten.
Ich lernte ihn während meiner Zeit als Composer-in-Residence am Hanse-Wissenschaftskolleg Delmenhorst kennen, und sein wissenschaftlicher Ansatz schien mir interessant. Ich wusste nicht ob er auch poetische Texte verfasst, aber da fragen nichts kostet, schilderte ich ihm meine bislang erfolglose Suche nach vertonbaren Texten. Er sagte sofort zu, und wenig später hatte ich die ersten Gedichte als whats-app Nachricht auf meinem Handy. Das Schöne ist, dass er mir die Texte auch gesprochen aufgenommen hat – spoken poetry, wie er sagte. Das war für das Komponieren und die Gestaltung des Gesangsparts eine unschätzbare Hilfe.
”On the island II“ schildert eine im Schlamm versinkende Insel-Hochzeit und das verlorene Gefühl, nur von Wasser umgeben zu sein, erzählt von falschen Liedern, von Scham, Einsamkeit und der Wut über die Zerstörung der Natur. Am Schluss wird eine leise Hoffnung geäußert wenn es heißt: ”The Earth is Young and Heaven is in teenage rebellion – so come to the Harbour Front, dance in the moonlight in the Fountain of Youth.“

L.K.: Kommen erneut Materialien aus Papier, Coladosen oder Glas zum Einsatz? Welche Wirkung erzeugen diese Klänge und wie ergänzen sie das klassische Instrumentarium?

T.E.: In diesem Zyklus habe ich auf ein aufwändiges Sonderinstrumentarium verzichtet. Die Klänge entstehen aus einer gewissen kompositorischen Strenge und Reduktion heraus und nehmen mitunter innerhalb des klassischen Instrumentariums ungewöhnliche Formen an. Auch rein geräuschhafte Passagen ergänzen die gewohnten Klangfarben der Instrumente zu einem vielfältig differenzierten Klang- und Stimmungsbild.

L.K.: Ihr Werk wird umrahmt von Johann Strauß Sohns „Kaiserwalzer“ in einer Bearbeitung von Arnold Schönberg und Gustav Mahler Sinfonie Nr. 4 bearbeitet von Erwin Stein. Auf den ersten Blick scheint Ihr Werk nichts mit diesen gemeinsam zu haben; gibt es dennoch eine Verbindung?

T.E.: Die erweiterte kammermusikalische Besetzung ist der Rahmen, der die drei Werke eint:
Sinfonische Musik, die in der Beschränkung auf ein kleines Ensemble Transparenz, Sprache und Zeichnung erfährt.
Im 4. Satz seiner Sinfonie vertont Mahler den Text ”Das himmlische Leben“ aus der Gedichtsammlung ”Des Knaben Wunderhorn“. Auch dort geht es – ähnlich wie in ”On the island II“ um die Gebrochenheit des Weltlaufs, die Vision des unversehrten Idylls auf der einen Seite und die Unumkehrbarkeit des Zerstörung auf der anderen. Mysteriös erscheint das Leben der Menschen. Im Gefühl der Demut liegt Hoffnung.